2020 haben wir die aktuellen Entwicklungen im Bereich Category Management (für Deutschland) in 10 Hypothesen zusammengefasst.
Diese spiegeln unsere Erfahrungen aus der täglichen CM-Arbeit wieder und sollen - teils bewusst provokant - zur Diskussion anregen.
Decken sich unsere Thesen mit Ihren Eindrücken? Welche Erfahrungen machen Sie aktuell?

Wir freuen uns über Rückmeldungen und sind gespannt auf Ihre Sichtweise - nehmen Sie gerne Kontakt auf:
Alexander Ehrl, a.ehrl@planundimpuls.de, 089-540318-13

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Hypothese 1/10: Die Machtverhältnisse im Category Management haben sich verschoben
Kooperative CM-Projekte zwischen Industrie und Handel nehmen seit Jahren ab. Der Handel - insbesondere der discountierende - führt CM meist alleine durch, was auch seine originäre Aufgabe ist. Er verfügt dazu über das Know-how, die Datenhoheit und inzwischen auch über die entsprechend qualifizierten Mitarbeiter. Die Industrie darf gerne aktuelle Shopper Insights für die jeweilige Warengruppe beitragen oder beim Umbau helfen. Aber wäre das an sich nicht auch Aufgabe des Handels?

Hypothese 2/10: Der kooperative 8-Stufen-Prozess hat in der Praxis an Bedeutung verloren
Der idealtypische CM-Prozess, in welchem Handel und Industrie gemeinsam auf Augenhöhe zusammenarbeiten, wird eher auf Bühnen als in der Praxis gelebt. Als grundlegender Orientierungsrahmen ist der 8-Stufen-Prozess aber nach wie vor absolut sinnvoll, da er die gemeinsame Perspektive
herstellt. Wenn aber in der Praxis überhaupt noch kooperiert wird, dann meist nur in ausgewählten Prozess-Schritten und dort stark verkürzt. Das Industrie-CM hat sich konsequenterweise dieser Realität gefügt und häufig zu einem Inhouse-Consulting für den Vertrieb entwickelt.

Hypothese 3/10: CM benötigt eine individuelle Ausrichtung
Handel und Industrie setzen im CM unterschiedliche Schwerpunkte. Der Handel arbeitet eher „in die Breite“, die Hersteller eher „in die Tiefe“. Für die Industrie geht es darum, den standardisierten CM-Prozess auf die jeweiligen individuellen Bedürfnisse und die jeweilige Kategorie zu adaptieren. Das muss dann auch nicht immer kooperativ sein. Deckt eine standardisierte Ausbildung eigentlich noch die individuellen Inhalte des jeweiligen CM-Alltags ab?

Hypothese 4/10: CM kommt immer noch nicht in die Umsetzung
Insbesondere der klassische LEH hat noch keinen überzeugenden Weg gefunden, wie die CM-Taktiken flächendeckend in den Märkten umgesetzt werden. Meist liest man von Einzelinitiativen selbstständiger Kaufleute und von Hersteller-Konzepten, die auf ausgesuchte MBUs abzielen. Vollsortiments-Zentralen scheitern zum Teil an der Umsetzung in den eigenen Regionen. Der Discount hat dies erkannt und nutzt seine Durchgriffsvorteile, wie vor allem Lidl und nun auch vermehrt Aldi demonstrieren.

Hypothese 5/10: CM findet teils immer noch im strategischen Blindflug statt
CM zu betreiben macht herstellerseitig oft nur für marktführende Unternehmen Sinn. B und C Marken haben häufig nicht ausreichend Potenzial für CM und wären besser beraten mit gutem Marketing und Trade Marketing ihre Ziele zu erreichen. Die wesentlichen Fragen zur strategischen Ausrichtung des eigenen CM-Ansatzes müssen vor dem Start geklärt sein. Dazu zählen Ziele, Positionierung, die richtigen externen und internen Leistungsangebote, Organisation sowie die personelle und budgetäre Ausstattung. Alle internen Stakeholder, insbesondere der Vertrieb, sollten dazu die gleiche Sichtweise haben - sonst besteht die Gefahr, dass CM sein großes strategisches Potenzial nicht ausfüllen kann und eine zu operative Rolle einnimmt. Zahlreiche CM-Abteilungen stehen in der Praxis unter hohem internen Rechtfertigungsdruck. Dies ist zum Teil selbstverschuldet, da ohne eigene Strategie der vielseitige Nutzen von CM nicht sichtbar werden kann.

Hypothese 6/10: Category Manager*in wird man nicht durch einen Kurs
Eine standardisierte Grundausbildung wie z.B. die Zertifizierung durch die GS1 ist grundsätzlich positiv zu sehen. Insbesondere um eine einheitliche Sichtweise auf das Thema CM zu schaffen und es in die Breite zu transportieren. Man kann aber kaum ein so komplexes Berufsbild in nur wenigen
Tagen vermitteln, welches man übrigens auch in 8 Semestern an einer Universität studieren oder durch jahrelange praktische Berufserfahrung erlernen kann. Es scheint, dass es inzwischen zwar immer mehr Category Manager*innen gibt (was sehr gut ist!), der/die durchschnittliche CM aber
weniger Know-how besitzt als noch vor ein paar Jahren. Erfolgreiches CM benötigt neben den Basics zwingend fundiertes Tiefenwissen.

Hypothese 7/10: Panel alleine reicht meist nicht
Aktuell wird im Rahmen der CM-Ausbildung (zu?) starker Fokus auf die Haushaltspanel-Analyse gelegt. Seit vorletztem Jahr erhält das Thema Shopper Insights zunehmend Raum in der Zertifizierung, was überfällig war. Denn nur zu wissen was passiert, reicht nicht aus. Genauso wichtig ist es zu wissen, warum etwas passiert und die dahinterliegenden Motive zu verstehen. Aktuelle Shopper Insights sind notwendige Voraussetzung zur Durchführung von CM-Projekten und werden über alle Prozess-Stufen benötigt. Beispielsweise ist eine optimale Ausarbeitung der CM-Taktik Platzierung kaum möglich ohne fundiertes Wissen zur Orientierung im Regal. Wann bekommen die Shopper Insights auch im Rahmen des 8-Stufen-Prozesses eine feste Rolle?

Hypothese 8/10: Shopper Research gehört in die Hand von CM
Erfolgreiche CM-Abteilungen leiten auf Basis von Insights wertschöpfende Konzepte ab und setzen diese am POS um (von Insights zu Actions). Hierzu sollten Category Manager*innen neben zahlreichen anderen Qualifikationen auch Expert*innen in Sachen Haushaltspanel und Shopper Insights sein.
Nur durch die Verknüpfung beider Perspektiven lassen sich Potenziale identifizieren, Ursachen bzw. Zusammenhänge ganzheitlich analysieren und Lösungen für die jeweilige Kategorie ableiten. Es ist naheliegend, dass diejenigen, von denen diese Actions erwartet werden, auch für die Insights verantwortlich sein sollten. Die allgemeine betriebliche Marktforschung scheint häufig zu weit weg von den Praxis-Bedürfnissen des CM.

Hypothese 9/10: Fehlende Wertschätzung für CM
Nach wie vor wird - gerade in der Industrie - die Bedeutung von CM unterschätzt und auf rein operative Tätigkeiten reduziert. Zudem wird die Position der Category Manager*in zu häufig als Ausbildungs oder Durchlaufstelle gesehen und auch so bemessen. Das führt dazu, dass Category Manager*innen die Stelle durchschnittlich nur 2,5 Jahre besetzen und dann lieber ins KAM oder Marketing wechseln. Das wird weder der strategischen Bedeutung noch der herausfordernden Tätigkeit von CM bzw. der dafür benötigten Qualifikation gerecht. Die hohe Fluktuation führt so zu massivem Know-how-Verlust, insbesondere dem Handel gegenüber, der hier auf Kontinuität setzt. Geben Sie CM die Wertschätzung, die es verdient - oder lassen Sie es!

Hypothese 10/10: CM muss endlich erwachsen werden
Die Realitäten im CM haben sich nachhaltig geändert. Der kooperative CM-Prozess ist ein hehres Ideal, wird aber in der Praxis kaum mehr gelebt. Handel und Industrie gehen den Weg zunehmend getrennt. In der Industrie dient CM meist schlicht dazu den eigenen Verkauf zu fördern und ist dementsprechend auch dem Vertrieb untergeordnet. Wenn CM sein fraglos vorhandenes großes strategisches Potenzial ausschöpfen will (und mit Marketing und Vertrieb bzw. dem Handel auf Augenhöhe agieren will), muss es seinen Nutzen besser darstellen und sich schleunigst emanzipieren. Sonst schafft es sich mittelfristig selbst ab. Folglich kann sich CM - also die zahlreichen verantwortlichen Category Manager*innen – auch nur selber helfen. Voraussetzung dafür ist eine kritische Reflektion der scheinbar fix vorgegebenen Inhalte/Konzepte, deren Weiterentwicklung durch Praxis & Wissenschaft und dass die CM-Community (wenn es diese denn überhaupt gibt) sichtbarer wird.


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